Mit dem Mikroskop die Welt entdecken
Das Bayer Foundation Programm Science@School vergibt jedes Jahr bis zu 300.000 Euro an Schulprojekte, die Kindern eine neue Sicht auf Wissenschaft und Forschung erschließen können. Im Interview berichtet Anna Gerliz, Sachkundelehrerin an der Grundschule Overath bei Köln, über ihr Mikroskopierprojekt. Es wurde 2020 zur Förderung ausgewählt.
Frau Gerliz, wie hat das Projekt Ihren Unterricht verändert?
Wir haben von dem Fördergeld für unsere Schule Mikroskope und Lupen gekauft. Das hat unseren Sachkundeunterricht vollkommen verwandelt. In der Vergangenheit waren vergrößerte Darstellungen zu Themen wie Raupen und Schmetterlinge nur auf Arbeitsblättern und Bildern zu sehen. Das war aber alles sehr theoretisch. Viele Abbildungen sind nur schematisch und oft zu abstrakt für die Grundschulkinder.
Jetzt ist die Situation ganz anders. Nun können die Kinder kleine Dinge ganz groß sehen. Sie staunen und berichten was sie unter dem Mikroskop entdecken. Plötzlich benutzen Zweitklässler Fachbegriffe wie „Punktauge“, „Kopfkapsel“ oder „Streifensegmente“, als hätten sie nie etwas anderes gemacht – und ihre Augen werden sensibilisiert für wissenschaftliche Details.
Warum ist das so wichtig für Kinder?
Durch das Mikroskopieren werden die Dinge lebendig. Kinder sehen plötzlich hinter die Oberfläche weiter in die Tiefe, hinterfragen Dinge. All das ist wichtig, um später das Leben bewusst zu gestalten und positiv mit wissenschaftlichen Fakten umgehen zu können. In diesem frühen Alter sind Kinder unglaublich aufnahmefähig. Sie saugen alles auf wie ein Schwamm, ihre Augen leuchten.
Anna Gerliz
“Wenn man früh genug mit Naturwissenschaften im Schulunterricht anfängt, sind die Kinder später in den weiterführenden Schulen von den „schweren“ Naturwissenschaften nicht frustriert, sondern begeistert. ”
Sie können die Fakten und Zusammenhänge besser verstehen und denken nicht: Langweilig, versteh ich sowieso nicht.
Welche gesellschaftliche Bedeutung hat die frühe Begegnung der Kinder mit den Naturwissenschaften?
Naturwissenschaften bestimmen unsere Welt, sie bilden die Basis für das Verständnis von Umwelt, Gesundheit, Landwirtschaft, Ernährung, und anderen gesellschaftlichen Fragen. Wenn wir die Welt aber nicht verstehen, laufen wir blind durchs Leben. Die Umweltprobleme entstehen ja teils dadurch, dass Menschen Naturwissenschaften für nicht so wichtig halten. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Kinder sich im Sachunterricht mit diesen Themen und der Frage, wie wir unsere Welt für künftige Generationen hinterlassen, auseinandersetzen.
Was war die größte Herausforderung bei dem Projekt?
Die größte Herausforderung war für mich, den Kindern am Anfang des Projekts beizubringen, dass das Mikroskop kein Spielzeug, sondern ein wissenschaftliches Gerät ist. Deshalb haben wir zuerst gemeinsam Regeln zum Umgang mit den Mikroskopen aufgestellt.
Ich habe versucht, den Kindern deutlich zu machen: „Wir sind Forscher, wir untersuchen und erforschen die Welt. Wir behandeln die Mikroskope wie Wissenschaftler.“
Wie muss man sich den Unterricht mit dem Mikroskop praktisch vorstellen?
Sachkunde ist die Kunde über die Welt. Deshalb mikroskopieren wir alles, was in der Lebenswelt der Kinder vorkommt: Federn und Haare, Milchzähne und Zahnbürsten, Dinge aus Wald, Feld und Wiese. Die Kinder bringen auch selbst Dinge von Zuhause mit, die wir im Unterricht untersuchen. Anfangs war ich besorgt, die Kinder könnten sich schnell langweilen, aber tatsächlich waren sie fasziniert und nutzten jede freie Minute, auch in den Pausen, um ihre Lieblingsobjekte zu mikroskopieren. Aus allen Ecken des Klassenraums hörte ich dann: „Frau Gerliz, komm mal her, das musst Du unbedingt sehen!!!“ Ihre Begeisterung hat auch mich angesteckt, aber die Kinder haben mir ihr Mikroskop immer nur kurz überlassen. Bald hieß es: „Frau Gerliz, jetzt musst Du mich aber wieder arbeiten lassen.“
Seit nun über 10 Jahren unterstützt die Bayer Foundation im Rahmen des Programms Science@School kreative und innovative Schulprojekte in näheren Umkreis der Bayer-Standorte. Das Projekt will das Interesse für den Forschergeist von Schülerinnen und Schülern fördern und ihr Interesse für naturwissenschaftliche Fächer wecken. Für 2021 hat die Jury im September aus 42 Einsendungen 32 Projekte ausgewählt.