Arzneimittellieferung für Stadt- und Landbewohner*innen Nigerias
Abimbola Adebakin ist eine der fünf Gewinnerinnen des Women Empowerment Awards. Die Unternehmerin aus Nigeria ist Chief Executive Officer von Advantage Health Africa (AHA), einem Unternehmen, das im Gesundheitswesen arbeitet. Mit Technologien, Produkten und Dienstleistungen soll der Zugang zu erschwinglicher und hochwertiger Gesundheitsversorgung in ganz Afrika verbessert werden. Eine der von AHA entwickelten Lösungen ist die Medikamentenbestellplattform „myMedicines“. Doch der Weg bis zur Einführung dieser Plattform war kein leichter.
Women Empowerment Award Gewinnerin
Abimbola Adebakin
MyMedicines
Interview
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, myMedicines ins Leben zu rufen?
Ich wurde in Lagos, Nigeria, geboren und habe neben einem Abschluss in Pharmazie auch einen Master in Betriebswirtschaft von der Universität Lagos. In beiden Bereichen verfüge ich also über Erfahrungen. Die Pharmabranche steht vor einigen Herausforderungen. Stellen Sie sich vor: In einem Land mit 200 Millionen Einwohnern gibt es nur 5.000 Apotheken, die lediglich 25 % des Landes bedienen! Insbesondere die ländlichen Gegenden sind unterversorgt. Die Folge ist, dass viele Nigerianerinnen und Nigerianer sich ihre Medikamente bei anderen Quellen besorgen und nicht in einer der zugelassenen Apotheken. Das ist nicht ohne Risiko: So hat die Weltgesundheitsorganisation vor Kurzem in einer Studie aufgezeigt, dass 17 % der Arzneimittel in Nigeria gefälscht sind.
Mir war aufgefallen, wie wenig die Arbeitsabläufe digitalisiert waren. Rezepte wurden handschriftlich ausgestellt und es gab keine zentrale Verschreibungsdatenbank, Patientenakten wurden nicht in einer verlässlichen Datenbank gespeichert, das logistische Versorgungssystem war nicht nachverfolgbar usw. Die Apotheken verfügen nur über recht begrenzte Vorräte. Selbst wenn also eine Apotheke in der Nähe ist, kann es sein, dass die Kundinnen und Kunden das gesuchte Medikament nicht bekommen. Es passiert auch, dass ein Arzneimittel zu lang im Bestand bleibt, wenn die Nachfrage danach gering ist. Diese Erkenntnisse bewegten mich dazu, so viele Apotheken wie möglich in einer digitalen Plattform zu verknüpfen. Und so wurde 2017 „myMedicines“ als Prototyp eines Shared-Services-Angebots ins Leben gerufen.
Wie funktioniert myMedicines genau?
myMedicines ist im Grunde eine Plattform, über welche die Menschen in Nigeria ihre Medikamente bestellen können. Diese Bestellplattform bringt zugelassene Apotheken aus fast allen nigerianischen Bundesstaaten mit den Menschen zusammen, die preisgünstige Arzneimittel guter Qualität benötigen. Die Medikamente werden per Crowdsourcing aus Apotheken im ganzen Land beschafft. Einerseits löst die Plattform das Zugangsproblem und ermöglicht einen einfachen Einkauf, andererseits trägt sie zur Sicherheit der erworbenen Präparate bei.
Gesundheitsfachkräfte können über unsere Plattform ein Rezept im Namen ihrer Patientinnen und Patienten einreichen. Wir überprüfen dann, wo das bestimmte Produkt auf Lager ist. Das Medikament wird daraufhin von der nächstgelegenen Apotheke abgeholt und direkt zum Kunden bzw. zur Kundin nach Hause geliefert. Im Jahr 2017 starteten wir ein Pilotprojekt mit 55 Apotheken. Derzeit umfasst unsere Plattform 1.000 Apotheken, die Aufträge abwickeln. Wir gingen eine Partnerschaft mit dem Kurierzweig des nigerianischen Postdienstes NIPOST ein. Das ist die Hauptorganisation, die mit ihren 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren 1.000 Niederlassungen das Land weitgehend abdeckt. So konnte myMedicines Medikamente und pharmazeutische Präparate landesweit ausliefern. Jetzt arbeiten wir mit anderen Logistikpartnern zusammen und führen derzeit ein betriebsinternes Experiment durch, um die Effizienz der Lieferung bis an die Haustür zu verbessern.
Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?
Wir bekommen eine Marge auf jeden Umsatz, den die Apotheke macht – und zwar von der Apotheke. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass unsere Einnahmen nicht in höhere Preise für die Kundinnen und Kunden resultieren. Jede aktive Vertragsapotheke erhält pro Monat rund 10 bis 20 Verschreibungen. Wir möchten das Ziel erreichen, dass 50 % des gesamten Apothekenumsatzes über unsere Plattform kommt. Darüber hinaus könnten wir unser Modell replizieren und andere Gesundheitsdienstleistungen integrieren. Wenn wir beispielsweise unser Netzwerk erweitern und mit NGOs zusammenarbeiten würden, könnten wir Anbieter von Familienplanungsdiensten mit jungen Frauen verbinden oder Malaria- oder HIV-Prophylaxe und -Therapien dorthin bringen, wo sie gebraucht werden.
Was bedeutet der Gewinn des Women Empowerment Award für Sie?
Als unser Team die Kriterien für die Auszeichnung sah, dachten wir, dass sie wie für unsere Organisation gemacht waren. Sie drückten genau das aus, was wir bereits tun. Auch die Vision von Bayer „Health for All, Hunger for None“ ist in unserer DNA verankert. Der Gewinn des Awards ist eine echte Bestätigung für mich und mein Team. Wir sind nicht nur dankbar für das Geldgeschenk, auch die Unterstützung beim Kapazitätsaufbau kommt mir und meinem Managementteam zugute. Es gibt uns die Gelegenheit, einige unserer Annahmen und unser Geschäftsmodell neu zu überdenken. Mein Team besteht aus 54 Mitgliedern, von denen acht zum Management gehören. Einige sind erst vor Kurzem dazugekommen. Insbesondere die neuen Mitglieder werden so unsere Vision und Mission besser verstehen und ihren eigenen Beitrag dazu leisten.
MyMedicines Team
Über den Women Empowerment Award
Mit dem Women Empowerment Award möchte die Bayer Foundation Frauen als wichtige Change-Maker fördern und Unternehmerinnen helfen, in Afrika südlich der Sahara eine echte soziale Wirkung zu entfalten. Die Bayer Foundation bietet durch den Award eine Partnerschaft, die weit über eine einmalige Zahlung hinausgeht. Neben einem Preisgeld von 25.000 EUR umfasst er einen Sachpreis im Gegenwert von ebenfalls 25.000 EUR in Form eines 24-wöchigen Growth-Accelerator-Programms.
In diesem Zeitraum bekommen die Gewinnerinnen maßgeschneiderte Unterstützung und Schulungen zur Skalierung ihrer Aktivitäten sowie aktives Feedback von Investorinnen und Investoren. Außerdem erhalten sie Zugang zu einem weitreichenden Netzwerk von Bayer-Experten, die sie sowohl in den Schwerpunktbereichen Gesundheit und Ernährung als auch nachhaltige Landwirtschaft beraten. Alle Gewinnerinnen werden schließlich Teil des einzigartigen globalen Alumni- und Partnernetzwerks der Bayer Foundation, das ein Forum für den Austausch von Erfahrungen, aber auch Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme bietet.